Autoabhängigkeit – eine Belastung für die Zukunft der Inseln
Auf den Balearen ist die Abhängigkeit vom Auto so tief verwurzelt, dass wir sie oft gar nicht mehr hinterfragen. Für viele ist das Auto die erste Wahl für fast jede Fahrt, selbst für Strecken, die man zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen könnte. Das Auto quasi als Verlängerung des eigenen Körpers zu betrachten, zeugt von einer Gesellschaft, die Mobilität jahrzehntelang als individuelles Gut und nicht als Gemeingut verstanden hat. Das ist kein Zufall. Vor fast einem Jahrhundert demontierten die Balearen einen Großteil ihres Eisenbahnnetzes, das die verschiedenen Regionen verband, und entschieden sich für ein Straßen- und Autobahnsystem, das unsere Fortbewegung bis heute prägt. Öffentliche Mittel wurden dafür bereitgestellt, die Autonutzung einfacher und bequemer zu gestalten: neue Straßen, mehr Kreisverkehre, Parkplätze. Der öffentliche Nahverkehr hingegen entwickelte sich nur schleppend und leidet noch immer unter strukturellen Mängeln. Zwar wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt, doch Der kostenlose öffentliche Nahverkehr hat sich als Wendepunkt erwiesen und zu einem deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen geführt: Allein im Januar 2023 – dem ersten Monat nach Einführung der kostenlosen Nutzung – verzeichnete Palmas EMT (städtisches Verkehrsunternehmen) 54 % mehr Fahrgäste. Trotz dieser ermutigenden Zahl bestehen jedoch weiterhin Einschränkungen. Auf Mallorca gibt es noch immer rund 40 Dörfer ohne Anbindung an die Nachbargemeinde; in vielen ländlichen Gebieten verkehren keine Busse, und nachts ist der öffentliche Nahverkehr praktisch nicht vorhanden. Wer ohne Auto essen gehen und anschließend nach Hause fahren möchte, hat dazu keine Möglichkeit. Dies führt nicht nur zu räumlicher Ungleichheit – zwischen denen, die mobil sind, und denen, die es nicht sind –, sondern verfestigt auch ein nicht mehr zukunftsfähiges Mobilitätsverständnis. Wir dürfen nicht länger davon ausgehen, dass das Auto die einzige Möglichkeit ist, irgendwohin zu gelangen. Es ist notwendig, zu investieren, und zwar viel mehr, in Alternativen: mehr Strecken, häufigere Verbindungen, mehr Züge. Gleichzeitig muss der öffentliche Nahverkehr attraktiver gestaltet werden – mit einem angemessenen Service, Informationsstellen, Pünktlichkeit und unter anderem sicheren und effizienten Verbindungen. Es muss buchstäblich eine bessere Alternative zum Auto sein. Dieser Modellwechsel lässt sich jedoch nicht per Dekret allein erreichen. Er erfordert einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Wir müssen verstehen, dass gemeinschaftliche Mobilität intelligenter, wirtschaftlicher und verantwortungsvoller gegenüber unserem gemeinsamen Lebensraum ist. Die Inseln können es sich nicht leisten, weiterhin Straßen auszubauen, als gäbe es keine Grenzen für Platz oder Ressourcen. Wir dürfen ein nachhaltigeres Zukunftsmodell nicht aufgeben. Mobilität ist Ausdruck unseres Verständnisses von Gemeinschaft. Wenn wir lebenswertere und stärker vernetzte Inseln wollen, müssen wir unsere Abhängigkeit vom Auto beenden und uns entschieden für einen effizienten, nutzerfreundlichen und kompetenten öffentlichen Nahverkehr einsetzen. Er ist der schnellste und sicherste Weg zu einem nachhaltigeren Lebensraum und einer freieren Bürgerschaft.