Klimaprotestierende bei einer Demonstration in Windsor, Großbritannien.
09/11/2025
3 min

Es ist fast zehn Jahre her, dass sich die Welt in Paris traf und sich endlich darauf einigte, den Klimaschutz ernst zu nehmen. Doch obwohl Einigkeit über die notwendigen Strukturreformen zur Transformation von Sektoren wie Energie, Verkehr und Landwirtschaft besteht, ist das Investitionstempo unzureichend. Im Gegenteil, Regierungen ringen darum, angemessen auf die immer deutlicher werdende und gravierende Klima- und Umweltkrise zu reagieren. Viele Regierungen haben zwar strenge Maßnahmen gegen den Klimawandel vorgeschlagen, diese stoßen jedoch oft auf Widerstand in der Bevölkerung, da sie als unfair und ungerecht wahrgenommen werden. Viele sehen in diesen Maßnahmen eine Spaltung zwischen Jung und Alt, zwischen Stadt und Land oder zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Diese Kontroversen finden in den sozialen Medien einen fruchtbaren Nährboden, wo sie gedeihen und zu einem Sumpf aus Fehlinformationen, Hetze und Polarisierung verkommen. Dass tiefgreifende Reformen notwendig sind, steht außer Frage; die Frage ist, wie sie gerecht umgesetzt werden können, und dies wird mit dem Fortschreiten des Übergangs zur Klimaneutralität immer schwieriger. Die Bewältigung der Klimakrise ist für die meisten Menschen ein wichtiges Anliegen: In einer Umfrage in achtzehn G20-Staaten stimmten 71 % der Befragten zu, dass sofortige und entschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der CO₂-Emissionen erforderlich sind. Doch nur 39 % glauben, dass die Maßnahmen ihrer jeweiligen Regierungen wirksam sein werden.

Eine Möglichkeit, dieser Diskrepanz zu begegnen, besteht darin, die Bürgerbeteiligung an der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und -politiken der Regierungen zu ermöglichen. Anstatt von oben herab technokratische Vorgaben zu erlassen, sollten Regierungen direktive („Top-down“) Methoden mit partizipativen („Bottom-up“) Ansätzen kombinieren, die die Bürger zusammenbringen, um eine gemeinsame Zukunftsvision zu entwickeln. Es gibt bereits erfolgreiche Beispiele für solche partizipativen Methoden. In Frankreich existieren Bürgerversammlungen – Entscheidungsgremien, die sich aus zufällig ausgewählten, demografisch repräsentativen Personen zusammensetzen und über ein bestimmtes Thema von öffentlichem Interesse beraten und politische Empfehlungen aussprechen. Neben der Förderung des Konsenses bei kontroversen Themen klären die Bürgerversammlungen die Öffentlichkeit über komplexe Fragen der Regierungsführung auf und geben den Bürgern eine direkte Rolle bei den sie betreffenden Entscheidungen. Diese Elemente sind besonders wichtig für Themen wie den Übergang zur Klimaneutralität, der tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen mit sich bringt und das Potenzial hat, gesellschaftliche Spaltungen hervorzurufen. Im Gegensatz zu Politikern treffen die Mitglieder der Bürgerversammlungen ihre Entscheidungen ohne Wahldruck oder den Druck von Interessengruppen. Zu den bemerkenswerten Beispielen zählen die irischen Parlamente, die über die gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung debattierten und so zu nationalen Volksabstimmungen und wegweisenden Gesetzen führten. Ein weiteres Beispiel ist das französische Klimaparlament, das maßgeblich zur Ausarbeitung des bisher ambitioniertesten Klimagesetzes Frankreichs beitrug.

Brasiliens langjähriger partizipativer Ansatz in der Politikgestaltung hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. So wird beispielsweise der brasilianische Klimaplan durch eine Governance-Struktur entwickelt, die verschiedene Bundesministerien sowie Vertreter der Wissenschaft, der regionalen Regierungen, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft einbezieht. Zudem wurde eine partizipative Klimaplattform geschaffen, auf der sich alle brasilianischen Bürgerinnen und Bürger (digital oder persönlich) austauschen und Lösungsvorschläge einbringen können. Dieser partizipative Prozess wurde dadurch gestärkt, dass die brasilianische Nationale Umweltkonferenz und der Nationale Rat für wirtschaftliche und soziale Entwicklung dem Klimaplan hohe Priorität eingeräumt haben. Diese Methoden können potenzielle Polarisierungsquellen bei der Formulierung klimapolitischer Vorschläge vermeiden und stattdessen Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Beratung schaffen. In den G20-Staaten befürworten 62 % der Bevölkerung die Nutzung von Bürgerversammlungen für Entscheidungsprozesse. In Ländern wie Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko und Südafrika liegt dieser Wert bereits bei über 70 % und in Kenia sogar bei über 80 %. Mehr als 170 Bürgerversammlungen fanden bereits in über dreißig Ländern statt, mit dem Ziel, den Klimaschutz so zu beschleunigen, dass ein gerechter und gleichberechtigter Übergang für alle ermöglicht wird.

Nach dem Vorbild des Weltsozialforums brauchen wir nun ein Weltsozial- und Klimaforum oder eine Weltbürgerversammlung für Mensch und Planet, die Bürgerinnen und Bürger aus allen Ländern zusammenbringt, um nicht nur einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu gestalten, sondern auch die Politik neu zu denken. Dies böte der Menschheit die Chance, zusammenzukommen, die Hoffnungen und Ängste der anderen zu verstehen und gemeinsam einen grünen Wandel zu gestalten, von dem alle profitieren. Wir können einen neuen Gesellschaftsvertrag auf der Grundlage von Solidarität, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit schmieden.

2015 schufen Frankreich und Peru die sogenannte Aktionsagenda, da sie erkannten, dass die Klimakrise Veränderungen erfordert, die über staatliche Maßnahmen hinausgehen und die vielfältigen Ideen der Zivilgesellschaft (einschließlich Unternehmen, Städten und Gemeinden) einbeziehen. Während die Länder 2025 ihre nächsten Klimaverpflichtungen bekanntgeben, müssen wir die grundlegende Rolle der Bürgerinnen und Bürger (individuell und kollektiv) bei der Bewältigung der Klimakrise anerkennen. Auf der COP30 und darüber hinaus müssen wir einen Raum schaffen, in dem alle Stimmen gehört werden und ein Übergang gewährleistet ist, der nicht nur schnell, sondern auch gerecht ist. Andernfalls werden unsere gemeinsamen Ziele unerreichbar sein. Deshalb setzt sich Brasilien dafür ein, die COP30 (November 2025) zur „COP des Volkes“ zu machen und sicherzustellen, dass jeder Mensch auf der Erde die Möglichkeit hat, an den Entscheidungen mitzuwirken, die die Zukunft der gesamten Menschheit betreffen. Copyright Project Syndicate

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